Sonntag, 27. Mai 2012

Euphoooooooria!

Gut, es ist tatsächlich der Favorit geworden, und das mit deutlichem Vorsprung. Jetzt hat Schweden wieder seinen Willen bekommen und darf nächstes Jahr nach 13 Jahren mal wieder die Feder beim ESC führen. 
Eigentlich kann man im Nachhinein nichts an Loreen kritisieren. Die Performance war stimmig inszeniert, die Stimme hat gesessen. Länder wie Zypern und leider auch mein Engelbert aus England haben mit ihrem dünnen/zittrigen Gesang den Auftritt klar versemmelt und sind entsprechend hinten gelandet. Dass sich aber tatsächlich so viele in Europa auf diese düstere Dancenummer einlassen, hat ein wenig überrascht, sicherlich im Guten.
Aber wenn es danach geht, muss sich an dem Abend über viele Dinge wundern, angefangen bei Loreens härtestem Verfolger, die Babushkis aus Russland. Gerade am Anfang, als der Balkan geballt die Punkte verteilt hat, fühlte man sich doch etwas an die Zeit vor 2009 erinnert. Wo war da bitte die Gewichtung der Jurys? Und welcher musikalisch versierte Mensch vergibt ernsthaft Jury-Punkte an die Gruppe aus Russland? Wie kann es sein, dass das Lied fünfmal 10 Punkte, ergo die zweithöchste Wertung bekommt, unter anderem aus einem Land wie ITALIEN? Sehr strange... 
Mit den Top 10 im Ganzen kann ich allerdings ganz gut leben. Serbien auf Platz 3: Super. Aserbaidschan auf Platz 4: Vielleicht ein wenig überbewertet. Albanien auf Platz 5: Mehr als überraschend. Estland auf Platz 6: Großartig! Mein heimlicher Favorit hat sich tatsächlich durchgesetzt. Türkei auf Platz 7: Fällt unter die Kategorie "War zu erwarten". Italien auf Platz 9: Sehr schön. Spanien auf Platz 10: Erfreulich, sowohl für mich als auch für die Spanier bestimmt.
Und dazwischen auf Platz 8 rangiert tatsächlich unser Roman Lob. Erst einmal Glückwunsch! Sein Auftritt war wirklich mehr als souverän, eigentlich der beste, den ich bisher von ihm gesehen habe. Und dass er bei dieser Konkurrenz mit einem so unaufgeregten Song so weit vorne landet, war wirklich nicht zu erwarten.

Überhaupt, was war eigentlich der Trend dieses Jahr? Auf jeden Fall wieder die große Ballade (Albanien, Aserbaidschan, Spanien, Estland). Die niedlichen Schmusesongs (UK, Dänemark) blieben leider auf der Strecke, abgesehen von unserem süßen Roman. Immerhin wurde das 08/15-Party-Humtata aus Griechenland und der Ukraine ordentlich abgewatscht. Zumindest dürften diese Platzierungen die Verantwortlichen nicht zufrieden stellen. Und das klassische Trickkleid feierte durch Frankreich ein kurzes Comeback. :)

Alles in allem war es definitiv nicht der beste und spannendste ESC, aber einer, der mich trotzdem unterhalten hat. Schweden wird das mit Sicherheit nächstes Jahr toppen können.

Donnerstag, 17. Mai 2012

Baku 2012 - Das erste Halbfinale

Ich bin wieder online! Nach monatelangen Umzugsquerelen ohne heimischen Internetzugang. Das hat   mir die ganze Vorberichterstattung zu dem ESC in Baku ruiniert, der ja schon in 5 (!) Tagen mit dem 1. Halbfinale in die entscheidende Phase geht. Aber wie heißt es so schön: Besser zu spät als nie. Daher folgt hier nun mein Feedback zu den Teilnehmern des ersten Halbfinals.

MONTENEGRO: Gut, dass der blödeste Song dieses Jahrgangs gleich als Erstes läuft. Dann muss man sich den Rest des Abends nicht mehr damit beschäftigen.

ISLAND: Wie schon befürchtet, ist das Lied der Verenglischung zum Opfer gefallen. Im Gegensatz zu letztem Jahr aber, wo der sehr schlichte englische Text viel Charme geraubt hat, wirkt diesmal der Song auch in der Fremdsprache stimmig. Ich bin immer noch gespannt, wie der Stil ankommen wird. Mir gefällt es auf jeden Fall.

GRIECHENLAND: Die Griechen, das Land, das mein ESC-Blut immer in Wallungen bringt, mal im Positiven (OPA!), mal im Negativen (Watch my dance in Düsseldorf und Sakis Rouvas). Unter diesem Maßstab lässt mich der diesjährige Beitrag geradezu kalt. Es klingt halt so, wie ein griechischer Beitrag klingen muss, und ist eingängig genug, um sicher ins Finale zu kommen. So what?

LETTLAND: Eigenlob stinkt. Vor allem, wenn es wie in diesem Fall nicht gerechtfertigt ist. "Beautiful Song"... ja nee, is klar.

ALBANIEN: Sorry, aber ich kann mir das emotional gemeinte Gekreische von Rona Nishliu einfach nicht schönreden. Stimmlich mag das überragend sein, aber wenn die Emotion nicht rüberkommt, läuft irgendwas gehörig falsch. Aber sie steht wenigstens zum Albanischen, Kompliment!

RUMÄNIEN: Für mich sind die Rumänen (wieder mal) für eine dicke Überraschung gut. Das Lied von Mandinga hebt sich musikalisch angenehm von den ganzen David Guetta-Party-Klonen ab und sorgt für richtig sommerliche Partystimmung. Das wird wieder ein glatter Durchmarsch ins Finale.

SCHWEIZ: Charts- und radiotauglich ist die Nummer allemal. Aber beim ESC tu ich mich mit diesen Soft-Rock-Nummern immer ein wenig schwer. Wenn, dann ist hier eher die härtere Gangart gefragt. Bei der vorhandenen Konkurrenz wird es also schwierig.

BELGIEN: Holla, so konventionell habe ich Belgien schon lange nicht mehr erlebt. Wo sind die charmanten A-capella-Truppen und Elvis-/James Blunt-Imitatoren geblieben? Stattdessen nun ein blutjunges Mädchen namens Iris, die belgische Lena gewissermaßen. Hoffen wir einfach, dass da live nichts schief geht. Diese Art von Ballade verzeiht keinen schiefen Ton.

FINNLAND: Hm, das Lied ist nicht Fisch, nicht Fleisch. Es versprüht weder einen nordisch-mystischen Charme noch hat es einen ernsthaften emotionalen Ausbruch. Ist mir definitiv zu unausgewogen, um es für das Finale im Auge zu behalten.

ISRAEL: Schön extravagant. Ob genug Leute etwas damit anfangen können, bleibt abzuwarten.

SAN MARINO: Der Siegels Ralph hat es mal wieder geschafft. Er haut mal wieder eine Komposition heraus, die wirklich seinesgleichen sucht. So zeitgeistig, so up to date, so... dröge! Und das liegt nicht nur daran, dass das Aufmerksamkeit heischende F-Wort (Facebook) aus dem Titel genommen werden musste. Am Ende wird das bestimmt wieder Ralphs faule Ausrede für den sehr wahrscheinlichen Misserfolg sein. Schade, er war mal so gut, der Mann. Jetzt "gefällt er mir nicht mehr".

ZYPERN: War es für mich schon nach dem ersten Hören und ist es immer noch: Ein echter Titel-Anwärter. Den werden wir sehr weit vorne sehen, das prophezei ich euch. Ob ganz vorne? Das wird wahrscheinlich die Tagesform ausmachen.

DÄNEMARK: Was soll man sagen? Es ist erneut richtig gutes Pop-Futter, das unsere nördlichen Nachbarn ausgewählt haben. Für mich genau wie Zypern ein Anwärter für die ganz oberen Plätze.

RUSSLAND: Für Lieder wie dieses hat man Gott sei Dank vor einigen Jahren das Jury-Voting wieder eingeführt. Zugegeben, der Auftritt der Mütterchen ringt einem ein Schmunzeln und ein wenig Anerkennung ab, aber woher kommt dieser fucking Hype, durch den man den Babushkis ernsthaft Siegchancen einräumt? Um Himmels Willen, wenn so etwas gewinnt, das würde den Contest um Jahrzehnte zurückwerfen! Musikalisch ist das doch eine Katastrophe! Vielleicht ist das aber auch ein Test der Russen, nach dem Motto: Kommen wir wirklich mit jedem Scheiß ins Finale und in die Top 10? Wehe, wenn die Jurys dieses Lied nicht abstrafen!

UNGARN: Getragener Elektro-Pop und bedeutungsschwangere Lyrics, der aber in dem ganzen Geplätscher untergeht. Ist nicht mein Ding.

ÖSTERREICH: Jawoll, die Trackshittaz sind endlich am Start! Die passen mit ihrer Performance zum ESC wie Arsch auf Eimer. :) Ihre Vorjahresnummer "Oida, taunz!" hat mir zwar wesentlich besser gefallen, aber "Woki mit Deim Popo" wird bestimmt auch a Fetzngaudi.

MOLDAU: Offenbar gibt es im Balkan die Absprache, dass immer mindestens ein Land pro Jahr eine folkloristisch angehauchte Nummer an den ESC liefert. Dieses Jahr muss wieder Moldau die Quote bedienen. Aber sie erfüllen diese Pflichtaufgabe mit Bravour. Das Lied macht Laune, der Sänger ist optimal auf die schwule Zielgruppe ausgerichtet, was will man also mehr? Meinen Segen für das Finale hat es.

IRLAND: Was wäre das Tödlichste für Lena in Düsseldorf gewesen? Wenn sie mit der gleichen unschuldigen Keckheit aufgetreten wäre wie in Oslo, wenn wir ihr musikalisch gesehen eine billige Satellite-Kopie vorgegeben hätten. Haben wir Gott sei Dank nicht. "Taken by a stranger" war anders genug, um auch Lena anders, nämlich reifer zu zeigen. Genau dieser Wandel hat offensichtlich bei Jedward in den letzten 12 Monaten nicht stattgefunden. "Waterline" klingt konventioneller, weniger catchy wie "Lipstick", und ihr Auftreten bietet inzwischen keine Überraschungen mehr. So sehr ich die Zwillinge von Düsseldorf gemocht habe, aber die Zwillinge von Baku werden es echt schwer haben.

Bleibt nur noch die obligatorische Wettprognose für die Top 10, die ins Finale schaffen:

MOLDAU
RUSSLAND
DÄNEMARK
ZYPERN
RÜMANIEN
GRIECHENLAND
ISLAND
IRLAND
BELGIEN
ÖSTERREICH