Mittwoch, 8. Dezember 2010

Wieviel Sender braucht das Land? - Heute: Sky

Pay-TV in Deutschland, ein ewiges Thema. Seit vor 20 Jahren der Sender Premiere mit einem Sender und seinem schnuckeligen Analog-Decoder an den Start ging, wird die Frage gestellt: Wozu brauche ich das denn? Wieso soll ich noch mehr Geld für Fernsehen bezahlen? Mir reichen schon die GEZ und meine Kabelgebühren.
Bei Premiere waren die Pro-Argumente vergleichsweise klar. Da waren es die zeitnahe Verwertung der Kinofilme, lange bevor man an eine normale Fernsehausstrahlung denken konnte, und die exklusive Berichterstattung von Sportevents und der Bundesliga. Und natürlich der öffentlich-rechtliche Luxus der fehlenden Werbeunterbrechungen.

Als dann aber 1996 Leo Kirch mit seinem Programm-Overload DF1 dazukam und die Digitalisierung der Satellitenübertragung seine ersten konkreten Schritte machte, standen die Menschen vor einer ganz neuen Art von Pay-TV. Die inhaltliche Exklusivität ordnete sich einem Masse-statt-Klasse-Prinzip bzw. Jedem-Tierchen-sein-Pläsierchen-Prinzip unter. Nischenfernsehen jedweder Art, das sich im Free-TV niemals rentiert hätte, bekam DF1 sei Dank seine Existenzberechtigung in der Fernsehlandschaft. (Wer wollte nicht schon immer einen Sender haben, der nichts anderes zeigt als Golf? ^^)
Und schon damals war man sich dem Kaufargument "Vorsprung durch Technologie" bewusst. Werbekampagnen, die die Qualität der Digitalübertragung im Vergleich zum analogen PAL-Signal hervorhoben, waren von Anfang an Teil der Marketingstrategie. Hat aber alles nichts genutzt. Kirchs Pay-TV-Offensive wurde zum Rohrkrepierer, was aber Premiere aus irgendeinem Grund nicht davon abgehalten hat, sich des Projekts zu erbarmen und Ende der 90er das große Konglomerat Premiere World zu erschaffen.

An diesem Punkt hätte man sich eigentlich mal wieder grundsätzlich fragen können: Was soll uns besonders machen als Pay-TV? Die Vielfalt oder die Exklusivität unserer Inhalte? Kofler und Konsorten entschieden sich nach der Fusion für ein klares "oder" und begannen das Nischenprogramm-Portfolio in einzeln buchbare Themenpakete zu packen. So wurden der Bundesliga-Fan und der Kino-Liebhaber zumindest nicht mehr über einen Kamm geschert, sondern jeder konnte sich die Alternative raussuchen, die ihm am meisten gereizt hat.

So weit, so gut, aber so richtig kamen die Zuschauer trotzdem nicht aus dem Quark. Mit so viel Überangebot können bzw. wollen anscheinend nur wenige etwas anfangen. Das Einzige, was von Anfang an gezündet hat, war der Fußball, besonders seit der Einführung der Konferenz, was immer noch die größte Fernsehinnovation ist, die der Pay-TV-Konzern hervorgebracht hat. Wenn es also mal um inhaltliche Exklusivität ging, dann bestand sie hauptsächlich aus Lizenzscharmützeln um die Bundesliga.
Darüber hinaus bewegt seit je her die Programmauswahl irgendwo zwischen Konserve und Belanglosigkeit. So interessant die Ansätze vieler Nischensender sind, aber ein Vollprogramm macht bei kaum einen wirklich Sinn. Die entstehenden Redundanzen sind einfach zu hoch, selbst für meinen Geschmack.

Leider hat sich an diesen Umständen bis heute - trotz etlicher Re-Brandings - nicht viel geändert. Über den Sport und die Filmverwertung hinaus hat das ehemalige Premiere immer noch keine inhaltlichen Eigenkreationen, die ihn auszeichnen. Und auch im neuen Sky Welt-Paket tummeln sich vornehmlich Pay-TV-Sender, deren Dasein primär aus dem planlosen Aufwärmen alter Film- und Serienkamellen besteht und die im Grunde nur bei exklusiven Serienausstrahlungen etwas wie Relevanz besitzen. (Ich nenne mal u.a. RTLcrime, SyFy, TNT Serie oder SAT.1 Comedy)

So gesehen ist der Pay-TV-Markt in Deutschland seit 20 Jahren ein fast brach liegendes Feld, das keiner so richtig zu kultivieren weiß. Ob jetzt der neue Sky-CEO Brian Sullivan dazu in der Lage ist, wird sich mittelfristig zeigen. Genug Erfahrung aus England, wo sich Sky als Pay-TV-Plattform schon wunderbar etabliert ist, hätte er auf jeden Fall.
Sein bisheriger Reformansatz zumindest definiert die Exklusivität wieder nach der alten Parole "Vorsprung durch Technologie". HD und 3D sind für ihn momentan die magischen Buchstaben und Zahlen. In Zeiten, in denen die Frage nach HDTV immer mehr Relevanz bekommt, aber die Free-TV-Sender nur zögerlich und sehr divergent mit dem Thema umgehen (siehe HD+ mit all seinen heimlichen Schikanen), kann sich Sky als die Speerspitze bei der barrierefreien Produktion und Verbreitung hochauflösender und dreidimensionaler Inhalte profilieren. Ein kluger Ansatz, wie ich finde, und ein durchaus gutes Kaufargument. Nur schade, dass er hierbei immer noch mit angezogener Handbremse fährt, genauso wie bei seinen weiteren Ansätzen wie z.B. das Sport-App fürs iPad zum Beispiel. So schön diese Spielerei auch ist, es schafft nicht wirklich Neukunden, die das Unternehmen ja so dringend braucht. Kurzum: Mister Sullivan hat zwar das Richtige im Auge und einige vielversprechende Ansätze in seinem Kopf, schafft es aber noch nicht, sie in eine lukrative Form zu gießen.

Daher habe ich zum Schluss ein paar Vorschläge bzw. Denkanstöße für Herrn Sullivan und seine Sky-Reform zusammengetragen:


1. Arbeiten Sie an der inhaltlichen Exklusivität. Fokussieren Sie noch mehr Ihren Content und trauen Sie sich endlich an eigene Fiction. Es muss ja nicht gleich HBO-Niveau sein, aber solche Produkte haben so viel Identifikationspotential, dass es eine Schande ist, das ungenutzt zu lassen. Gerade jetzt, wo der Seriennachschub aus Amerika einbricht und man kaum Verwertbares für den deutschen Markt findet.

2. Ändern Sie die Paket-/Preispolitik. Machen sie Sky Welt - wenn sie an der jetzigen Form noch hängen - zu einem Paket wie jedes andere. Damit entfernen Sie gerade für die speziellen Zielgruppen (Sport-Fans und Cineasten), die sich wirklich für ihre Premium-Pakete interessieren, aber auf den ganzen Senderschmarrn bei Sky Welt verzichten können, eine große Hemmschwelle.

3. Lancieren Sie den HD-Content. Er ist zweifelsohne im Moment das beste Argument für ein Sky-Abo, also machen Sie zu Ihrer Trumpfkarte. Was spräche z.B. gegen ein eigenständiges HD-Paket, das man unabhängig von den anderen Premium-Paketen buchen könnte? Für die Menschen, die ihr Heim HD-tauglich getrimmt haben, aber (noch) nicht gewillt sind, 60€ im Monat zu zahlen, um in den Genuss all Ihrer HD-Sender zu kommen, ist das doch der perfekte Einstieg in ihr Angebot.

4. Wenn Sie schon die technikaffinen Leute ansprechen wollen und auf Multi-Channel setzen, müssen Sie auch entsprechende Geschäftsmodelle entwickeln. Sachen wie das Sport-App sind völlig sinnfrei, wenn Sie die nur als "Goodies" zum bestehenden Abo anbieten. Das schafft keine Attraktion, weil die potentiellen iPad-Nutzer wissen, dass sie erst einmal über 30€ im Monat für etwas Anderes ausgeben müssen, was Sie u.U. gar nicht haben wollen.
Gleiches gilt für Streaming-Angebote. Sie haben zwar bereits eine kleine (sogar kostenlose) Mediathek und mit Sky Select Internet TV sogar schon so etwas wie ein individuelles Downloadportal. Bislang wird beides allerdings stiefmütterlicher behandelt als die Mediathek der ARD. Zumindest erweckt die Aufmachung im Internet diesen Eindruck.
Nutzen Sie das doch endlich mal bewusst als Lockmittel und als zusätzliche Einnahmequelle, ganz unabhängig von irgendeinem Abo. Ich weiß, Premiere FLEX war jetzt nicht so der Burner, aber mit dem richtigen Konzept und vor allem der richtigen Preispolitik ist diese selektive Nutzung ein Bereich mit unglaublich viel Attraktion.
Und wenn Sie das nicht selber groß aufbauen wollen, gibt es im äußersten Notfall schon etablierte Portale wie XBoxLIVE oder Maxdome, denen Sie sich anschließen können.


Denken Sie mal über all das nach, Mister Sullivan. Und wenn Sie eine der Ideen gut finden, können Sie mir im Sommer, wenn ich mit meinem Studium fertig bin, ein Stellenangebot aus der Programmabteilung schicken. Ich helfe Ihnen dann gerne bei der Umsetzung. ^^

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