Mittwoch, 15. Juni 2011

Meine Kino.to - Wutrede

Diese Kino.to-Diskussion momentan finde ich so blutdruckfördernd. Erstens, weil manche so tun, als sei diese Seite die einzige auf der ganzen weiten Welt, die solcherlei Dienste anbietet. Zweitens, dass die meisten Leute scheinbar überhaupt keine Schuldgefühle empfinden, sondern sich vielmehr darüber aufregen, dass sie jetzt nicht mehr diverse Serien im Original anschauen können. Da kann ich nur sagen: Leute, was geht eigentlich?! Denkt ihr eigentlich mal darüber nach, zu was ihr euch da bekennt? Anscheinend nicht. Stattdessen wird in bester Wutbürgermanier ein Totschlagargument nach dem anderen gebracht, mit dem man seine Haltung rechtfertigt. 

Totschlagargument #1 der Kino.to-Befürworter: Die deutschen Sender/Produzenten sind doch selber Schuld. Ein deutsches Hulu-Pendant kriegen die großen Privatsender RTL und P7S1 wegen zu viel Borniertheit und Profitgier nicht hin und in Sachen Internet sitzen sie alle wegen Drei-Stufen-Test & Co. wie eine Glucke auf ihrem Content.
Zugegeben, dass mit Maxdome und mit RTLnow jede private Sendergruppe wieder gerne ihr eigenes Süppchen kocht, ist suboptimal. Was aber den Content angeht, kann man nun wirklich nicht meckern. Wer mal wieder einen Blick in die offiziellen Mediatheken der Fernsehsender wirft, wird feststellen, dass man dort bei vielen Sendern inzwischen das nahezu komplette Tagesprogramm auf Abruf vorfindet. (Bei den Öff-Rechs auch barrierefrei in HD-Qualität, sofern man die richtige Bandbreite hat) Selbst die meisten US-Serien sind dort sieben Tage nach Ausstrahlung noch kostenlos verfügbar. (Nur ProSieben zickt da aus irgendeinem Grund herum) Der nicht-linearen Nutzung per Internet, die immer populärer wird, sind also kaum noch Grenzen gesetzt. Und dennoch wird gejammert, meistens mit

Totschlagargument #2: Die Ausstrahlung englischsprachiger Produktionen dauert viel zu lange. Da muss manchmal mehr als ein paar Wochen warten, bis die Serie mal bei uns anläuft. 
Tja, liebe Leute, eine Synchronisation zaubert man nun mal nicht aus dem Hut. Und eine zeitnahe Auswertung auf der einen Seite bedeutet weniger Ausarbeitungszeit auf der anderen Seite. Da kann man nicht aus jeder Folge ein sprachliches Kunstwerk machen und für jedes Idiom ein angemessenes deutsches Pendant entwickeln. Da müssen die Dialogregie und ihre Sprecher im Akkord alles durchprügeln, und das  oft für einen unverschämten Hungerlohn. (Wobei in Deutschland noch luxuriöse Verhältnisse herrschen) Aber wen interessiert schon ernsthaft das Leid der Synchronstimmen?

Nein, vielmehr haut man an dieser Stelle mit Totschlagargument #3 so richtig in die Kerbe: Die deutschen Synchronisationen sind doch ohnehin alle Scheiße. Die machen den ganzen Humor und die ganze Stimmung im Original kaputt. Da schaue ich es mir lieber in der OV an.
Dazu kann ich zunächst Folgendes sagen: Es ist noch gar nicht lange her, da kaufte man so genannte DVD-Boxen, um in den erlesenen Genuss der Original-Tonspur zu kommen. Und vor noch kürzerer Zeit entdeckte man als Hardcore-Anglist die Möglichkeit, über Amazon zum Beispiel DVDs aus UK zu importieren, um sich die Option einer deutschen Spur oder sich das Warten auf eine Ausstrahlung in Deutschland zu sparen. Oder man legt sich einfach ein Sky-Abo an. Dort ist bei den Film- und Serienausstrahlungen der Zweikanalton inzwischen zum Standard geworden.

Aber jetzt kommt der springende Punkt: Das kostet... Geld! Genauso wie die inzwischen zahlreichen OV-Angebote bei iTunes! *angewidertdasgesichtwegdreh* Ein offenbar entsetzlicher Gedanke für den digital globalisierten Menschen, dem im Netz der Content der ganzen Welt zu Füßen liegt. Zumindest für den deutschen Vertreter dieser Spezies.

Volker Pispers hat es mal in seinem Kabarettprogramm gut erkannt: "Wir sind ein Volk der Schnäppchenjäger und Selbstverarscher." Der Deutsche regt sich einfach nur gerne auf. Er will im Internet kostenlosen Fernsehcontent haben, wenn er ihn aber problemlos und zeitweise für lau bekommt - wie es inzwischen bei vielen der großen Sender der Fall ist - passt ihm wieder was nicht. Dann ist ihm entweder die Verfügbarkeit zu kurz oder man beschwert sich darüber, dass man die Serie mit deutscher Tonspur ertragen muss.
Auf der anderen Seite wäre man ja natürlich dafür bereit, Geld dafür auszugeben, selbst im Internet. DVD-Boxen sind ja schließlich viel zu teuer und so 2000er, und von einem Sky-Abo will ich gar nicht anfangen zu reden. 
Im Zwiefel schiebt man aber gerne wieder die Schuld auf die Sender oder die Betreiber von On-Demand-Portalen, weil die entweder kein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis haben oder weil sie (aus Lizenzgründen) nicht den erhofften unbegrenzten Zugang auf alle Serien dieser Welt haben. Oder ganz banal weil man iTunes doof findet, denn das ist ja von Apple und Apple ist total böse und so.

Die Verwertung des Fernsehcontents ist gerade dabei neue Wege zu gehen und dass die Mediatheken im Internet zu einer gleichwertigen Anlaufsstelle werden, hat inzwischen selbst der letzte Regionalsender erkannt und akzeptiert. Aber so wie bei HD+ muss der gemeine Deutsche inzwischen einsehen: Umsonst ist nur der Tod. Und gut Ding will Weile haben.
Es ist gewiss noch einiges ausbaufähig, was die Internetpräsenz angeht, und zugegebenermaßen war selbst ich in letzter Zeit von so mancher Synchronisation enttäuscht. Darüber kann man sich aber auch nur ernsthaft aufregen, wenn man sich vorher die Originalversion der Serie illegal aus dem Netz gesaugt hat. Ich nehme die Serie erst einmal so, wie sie in der deutschen Fassung ist, und ziehe daraus mein Interesse. Wenn ich auf der DVD oder nach dem Download bei iTunes feststelle: im Original ist sie ja noch viel geiler, freut mich das. Das heißt aber nicht, dass ich gleichzeitig die deutsche Version verteufle. Das gehört einfach dazu, gerade wenn es um Free-TV geht. Und ich persönlich bestehe auch auf eine Lokalisation, obwohl ich gewiss genug Englisch verstehe. Dafür bin ich einfach ein zu großer Freund der deutschen Sprache, um das im Fernsehen verkommen zu lassen.
Jeder, der also lauthals "Deutsche Synchro abschalten" ruft, wie es der Wutbürger ja gerne heutzutage macht, der soll sich daher schleunigst bei "Goodbye Deutschland" bewerben und die Biege machen.

Der Rest soll statt Meckern lieber für eine neue Generation von Rainer Brandts und Karlheinz Brunnemanns sorgen, die die Möglichkeiten hinter einer liebevollen Eindeutschung gesehen haben, die nicht nur auf semantische Genauigkeit und Lippensynchronität achtet. Und lernt als Zuschauer das Engagement und die Arbeit unserer Lokalisatoren verdammt nochmal zu würdigen.
Als kleine Inspiration dafür biete ich euch zum Abschluss ein Beispiel aus "Die Zwei", die diesen Spirit perfekt repräsentiert:


Danke fürs Lesen!

1 Kommentar:

  1. Hi Rothi,

    Genau meine Rede! Schön getroffen!

    Und was würde ich für so ein Konzept hier wie Hulu geben - mein gott ich will doch nur einen Kanal bei dem ich sagen kann WAS ich sehen will - ein Archiv von so gut wie ALLEN Filmen und Serien und ich such mir dann das aus was ich sehen will - dafür zahl ich dann auch SEHR SEHR gerne. 1-2 Euro z.B. wären überhaupt kein Ding. Klar erwarte ich dafür HD und gute Quali - aber hey dafür kann ich das weltweit anschauen. DAS ist das einzige was mich wirklich ärgert das es bisher im deutschen lande nicht geklappt hat (wie du ja auch schon schreibst). Und wenn ich was wirklich zeitnah sehen will - mein Gott dann gehe ich ins Kino - ich glaub ich organisiere so 10 Mal im Jahr Kinoabende mit Freunden - vorzugsweise ins IMAX damit das Erlebnis noch größer wird.

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