Montag, 18. Februar 2013

Ein "glorreicher" Nachklapp

Ungewohnt... Nach nur einem Abend ist der ganze Vorentscheids-Buhei schon wieder vorbei. Aber er hat genug Futter für die nächsten drei Monate gegeben, dessen kann man sich sicher sein...
 
Aber eins nach dem anderen; erst einmal möchte ich im Besonderen die Show im Ganzen hervorheben. "Unser Song für Malmö" hatte wirklich internationales Format und war ein dem ESC würdiger Vorentscheid. Die düstere Stefan Raab-Biederkeit, die mich spätestens bei "Unser Star für Baku" ein wenig genervt hat, war endlich passé. "Ein bisschen Show muss sein, dann ist die Welt voll Sonnenschein..." :) Und dazu gab es als Sahnehäubchen oben drauf Ange Engelke als Moderatorin. Super! Ihre gleichzeitig professionelle, aber auch spontane, leicht selbstironische Art hat der Veranstaltung wirklich gut getan und bei mir für viele Lacher gesorgt. Auf dieser Konstellation kann DasErste wirklich aufbauen in den nächsten Jahren.
Soweit zur Form; sprechen wir nun über die Inhalte. Was sage ich zu dem neuen Votingsystem? Ich sage: Das vom schwedischen Melodifestivalen übernommene Modell bietet an sich eine sehr gute Mischung. Mit dem Voting der Popwellen wird die inzwischen nicht mehr unwichtige Radiotauglichkeit der Lieder geprüft und schon mal ein Anheizen für die Hardcore-Fans (sowohl des ESC als auch der Gruppen) betrieben. Das Zuschauervoting in der Sendung ist dann im besten Fall ein Gradmesser für die Live-Qualität des Songs. Man fällt ja beim ESC oft genug auf die Schnauze und erschaudert, wenn man ein Lied live bzw. ohne Auto-Tune hört. "La la love" von Zypern letztes Jahr war ein Musterbeispiel dafür, aber auch Griechenland und Schweden waren in den letzten Jahren oft solche Kandidaten. Und mit dem Juryvoting als letztes Drittel wird dann die "Stimme der Vernunft" beansprucht, die frei von jeglichem Hype ein nüchternes Urteil bezüglich der musikalischen Qualität abgibt.

So weit, so gut, könnte man denken. Das Einzige, auf das man sich jetzt konzentrieren musste, waren die Live-Eindrücke der Songs. Hier hat sich vieles, was ich Vorfeld erwartet habe, auf links gedreht. Oder auch nicht. Mein favorisierter Finn Martin hat mich leider schon nach den ersten Takten verloren, Ben Ivory hat dafür umso mehr meine Sympathien gewonnen, aber diese überfrachtete Lasershow hat wieder alles kaputt gemacht. Viele Andere (Mobilée, Mia Diekow, Söhne Mannheims, Nica & Joe) waren erwartungsgemäß solide, aber blass und bei Betty Dittrich blieb es leider auch nur bei dem kindlichen Grinsen, das spontan durch ihr Lied erzeugt wird.
Wirklich überrascht hat mich hingegen BLITZKIDS mvt. Nur leider ist die Nummer immer noch zu arty, um einfach die Unterstützung der Masse zu kriegen. Als PR für diese junge Truppe war das aber allererste Sahne. Und ja, ich sage es noch einmal: "Nackert" ist ganz nett, aber das ist einfach kein Siegerlied. Dafür wurde mir einfach zu ziellos rumgeblasen und den Text hätten sie sich auch sparen können. LaBrassBanda hat echt mehr drauf als das. Dementsprechend war ich auf die letzten zwei Acts sehr gespannt und was soll ich sagen: Die Priester waren echt der Hammer! ;) Fast hätten sie mich gekriegt mit ihrer Nummer. Achja, und Cascada kamen dann auch noch und lieferten eine richtig professionelle Show ab; eine, die ich so, ehrlich gesagt, nicht erwartet hatte.

So gesehen wurde es auch für mich am Ende richtig heiß, als das Voting eingesammelt wurde. Und plötzlich fingen die Sorgen an. Das Radiovoting wurde so überraschend wie beim Bundesvision Song Contest und hat bei mir persönlich die am höchsten gezogene Augenbraue erzeugt. Das Ergebnis des Votings mit LaBrassBanda, Cascada und Betty Dittrich als Top 3: geschenkt. Damit konnte ich leben. Es war ja schließlich das erste Drittel. Mal schauen, wie der Rest ausgeht... Danach sollte die Jurywertung kommen, die, wie von mir erhofft, das Feld noch ein wenig aufmischt. Dass die Tabelle jedoch so aufmischt wird, hat auch mich überrascht. Und dass das anschließende Zuschauervoting in seiner Gesamtverteilung auch nochmal erstaunliche Differenzen zum Radiovoting zeigte, hat mich grundsätzlich gefreut. Das zeigt, dass das System in seinen Grundsätzen funktioniert. Was sage ich aber nun zu dem Gewinner dieses Votings? Zu "Glorious" von Cascada?

Erst einmal herzlichen Glückwunsch, das gebührt sich. Und darüber hinaus ein ehrliches "Passt scho". Der Song taugt live genauso wie auf Platte und Natalie ist Profi genug, um auch in Malmö eine gute Figur zu machen. Ich für meinen Teil hatte im Vorfeld gewiss andere Lieder als Favorit und ja, ich hatte bei Cascada auch eine leichte Loreen'sche Beklemmung beim ersten Hören. Dass man den Siegertitel jetzt aber so dermaßen durch den Schmutz zieht wie die letzten drei Tage, macht mich ehrlich wütend.
Es ist so albern, eine Verschwörung der Musikbranche in diesem Juryvoting zu sehen. Die Zuschauer können schließlich im Zweifel durch Radio- und Live-Voting der Jurywertung etwas Großes entgegensetzen. Und es war nun wirklich nicht so, dass bei der Zuschauergunst zwischen Cascada und LaBrassBanda eine riesige Kluft herrschte. Beide waren gleich beliebt. Mal waren die einen vorne, mal waren die anderen knapp vorne. Wenn LaBrassBanda jetzt statt mit sieben Punkten nur mit einem Punkt Rückstand verloren hätte, weil Cascada trotz allem Hin- und Hergeschiebe einfach ein My besser ankam bei der Jury, wäre das Geschrei dann genauso groß?
Eine Jury ist dafür da, um sich von jeglichem Fandome frei zu machen. Sie hat so objektiv wie möglich zu beurteilen, welcher Song das größte musikalische Potential für den Contest hat. Zumindest in Deutschland wird das auch sehr ernst genommen. Ich kann immer nur betonen: Seid echt froh, dass es wieder Jurys gibt, vor allem beim ESC. Ohne die hätten in Baku am Ende noch die russischen Omas gewonnen. [By the way: Der dritte (!) Platz für die Söhne Mannheims? Der lag bestimmt auch nur an dem wahnsinnig spannenden Song, ne?]

Wenn jetzt schlechte Verlierer daherkommen und krampfhaft versuchen, aus "Glorious" ein "Euphoria"-Plagiat zu machen, nur weil die Wortbestandteile "Gloria" und "Phoria" die gleiche Wortmelodie haben, muss ich mich echt schämen für mein Land. Mein Gott, im Zweifel ist es halt nur ein stupider 08/15-Elektropop-Song, den man gefühlt schon 1000-mal in irgendeiner Großraumdisse gehört hat. Na und? ES IST CASCADA! Die machen seit Jahren nicht Anderes! Wieso tun jetzt alle so überrascht oder machen aus dem Song etwas, was es vielleicht gar nicht sein will?

Ich kann nur immer wieder an ein altes, wohlbekanntes Zitat denken: "Der Prophet gilt nichts im eigenen Land." Im Ausland sind so viele Fans froh darüber, dass wir uns am Ende NICHT für LaBrassBanda entschieden haben. Hierzulande werden nun Natalie und ihre Jungs wie die Sau durchs Dorf getrieben, weil sie es überhaupt gewagt haben, neben den ganzen handverlesenen Künstlern anzutreten und eine kalkulierte Mainstream-Nummer ins Rennen zu schicken. Das ist voll die Wettbewerbsverzerrung, ey! Das ist ja fast so, wie wenn... Seeed oder Unheilig beim Bundesvision Song Contest antreten würden. Geht ja mal gar nicht.
Wenn ich ehrlich bin... inzwischen wünsche ich mir nicht nur aus nationaler Grundsolidarität heraus eine gute Platzierung für Cascada, sondern auch aus purer Gehässigkeit, einfach um die heuchlerischen Kommentare mancher Kritiker zu erleben. GO CASCADA!

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