Mittwoch, 18. August 2010

Mord mit Aussicht auf Erfolg

Ihr glaubt gar nicht, wie sehr mir dieser Regionalkrimi-Hype im Buchmarkt auf die Nerven geht. Jedes Kaff von Hiddensee bis Kempten, das zumindest nach Meinung der Autoren oder Verlage so etwas wie individuellen Lokalkolorit versprüht, muss inzwischen als Kulisse für mehr oder weniger belanglose Mordgeschichten herhalten. (Ja, es gibt sogar inzwischen eine Krimireihe, die in Würzburg spielt)

Neu ist dieser Trend ja nicht wirklich. DasErste und ZDF machen das im Fernsehen ja schon seit einer Ewigkeit mit ihren gefühlten 100 SOKO-Serien, Tatorten und Polizeirufen. Und in den USA hat man CSI und NCIS inzwischen ebenfalls den Reiz des Local Branding oder wie auch immer das heißt entdeckt. Aber was steckt inzwischen unter all diesen Labels? Ähnlich wie bei den nur 08/15-Krimi, dem außer ein paar reizenden Stadtimpressionen mit der Zeit jegliche regionale Tümelei abgetrieben wurde. Ein Charakter wie Bienzle oder Palü hat schon lange ausgedient und wird wohl höchstens in Form einer weiteren Kluftinger-Verfilmung sein Comeback finden.

Das einzige Glanzlicht, das sich da momentan hervorhebt, ist "Mord mit Aussicht", die momentan noch auf dem unkaputtbaren Dienstagabend-Sendeplatz im Ersten läuft. Ich gebe zu, es hat ein bisschen gedauert, aber so langsam reiht sich die Serie bei meinem Deutsche-Serien-Ranking (siehe links in der Spalte) immer weiter oben ein. Allein die heutige Folge war nicht nur ein Heidenspaß, den Machern gelingt es hier mit den einfachsten filmischen Mitteln die von der Serie forcierte Stimmung zu erzeugen.

Die eigentliche Langeweile einer Dorfpolizei wie in Hangesch in der Eifel vor, in der tödliche Unfälle und Morde im Realen so selten passieren, lässt alle Figuren mit der Zeit so lakonisch werden, dass selbst das den Aufgeregheitsmesser kaum merklich über die Nullgrenze hebt. Es gehört für die Beteiligten schlicht und ergreifend zum Job.
Die Serie ist für mich damit fast schon eine Karikatur auf die momentane Fernsehkrimi-Kultur, die alles inhaltlich und vor allem bildästhetisch aufbläht, außer wenn wie bei den Münsteraner Tatort-Ermittlern ein bewusst humoristisches Zerrbild gewählt wurde. An jeden Fan dieser Lokalkrimis sei also der Rat: Gebt euch nächste Woche die vorerst letzte Folge. Und hofft auf eine weitere Staffel dieser wundervollen Serie.

Als Schmankerl und als Vorgeschmack habe ich ein Transkript zu einem Dialog aus der heutigen Folge gemacht, einer der geilsten und lustigsten, den ich seit langem gesehen habe und der das ganze Koloritgeschwafel wunderbar zusammenfasst: (Mit Bild und Ton könnt ihr den in der ARD-Mediathek bis nächsten Dienstag genießen)


Szene an Sonja Haas' Haustür (Die Hauptfigur); Herr Zielonka, ihr Vorgänger im Revier und ihr Vermieter, kommt heraus mit einem Müllsack.


ZIELONKA: N'Abend, Frau Haas.
HAAS: N'Abend, Herr Zilonka.
ZILONKA (bleibt stehen, dreht sich zu ihr): Na?
HAAS: Na?
ZILONKA: Feierabend für heute?
HAAS: Hhm.
ZIELONKA: Ne. (Pause) Jo. (Pause) Und? Pläne?
HAAS: Nö. (Pause) Müll?
ZIELONKA: Hm, hm.
HAAS: Hhm.
ZIELONKA: Also wissen Sie, normal is das nich. So ne junge attraktive Frau wie sie. Und ganz allein aufm Dorf.
HAAS: Allein sind sie doch auch.
ZIELONKA: Ich hab meinen Sohn. (Geht Richtung Mülltonne)
HAAS (ruft ihm nach): Hhm. In Kanada! Toll!

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