Samstag, 11. Juni 2005

Musikvideos - Eine stichprobenartige, medienwissenschaftliche Untersuchung des visuellen Ausdrucks moderner Popkultur; Heute: "Cowboy" von Ch!pz

Vielen aktuellen Musikvideos wird eine gewisse handlungstechnische Schwäche, gar Leere vorgeworfen, die sie bis zum optischen Erguss mit "Titten, geilen Ärschen und dicken Schlitten" (Zitat aus der "Zeit" vom 31.04.) vollstopfen. Gott sei Dank gibt es noch Gruppen, die sich dieser audiovisuellen Pornoisierung nicht anschließen, sondern mit dramaturgisch ausgereiften Videos die Pausen bis zur nächsten Klingeltonwerbung ertragbar machen. Gemeint sind die höllandische Combo Ch!pz mit ihrem aktuellen Video zur Nr.1-Single "Cowboy".


Das aufgegriffene Western-Thema ist oberflächlich nicht sehr überraschend für das geübte Auge, doch zeigt es vor allem im Detail seine geradezu cineastische Größe. Die bis ins Letzte ausgefeilten, deutlich dem traditonellen Squaredance angelehnten Tanzchoreografien; die erstaunliche Situationskomik, wenn am Ende einem der Cowboys beim Händeklatschen die Hose herunterrutscht, weil er sie beim Verlassen des Plumpsklos, angelockt durch die betörenden Klänge der Ch!pz, vergessen hatte festzumachen; die raffiniert designten Siemens-Handys, die einem in Zeiten von Schleichwerbungsvorwürfen beinahe provokativ in Großaufnahme entgegenstrahlen; nur ein Bruchteil dessen, was dieses Video so besonders machen.


Über die musikalische Qualität des Werkes, ob es den ersten Platz verdient hat oder nicht, darüber mögen sich andere auslassen. Ein Land, dessen erfolgreichste Exporte ins Ausland momentan Schnappi und der Crazy Frog sind, sollte sich bezüglich solcher Pop-Importe lieber einer Aussage enthalten, ganz gemäß dem Sprichwort "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen".


Fest steht jedenfalls: Wer bei "Cowboy" "Titten, geile Ärsche und dicke Schlitten" sucht, verschwendet seine Zeit. Hoch lebe der Kommerz!

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