Sonntag, 14. März 2010

Perlen des Fernsehens, präsentiert von Guido Knopp; Teil 7: Unser Star für Oslo

Es ist schon verdammt lange her, dass etwas meinen Fernsehkonsum so bereichert hat, dass es in diese Kategorie aufgenommen wird und damit die wohl ruhmreichste Auszeichnung meines Blogs erhält. (Das letzte Mal war South Park im Oktober 2006!)
Die Sendung "Unser Star für Oslo" hat diese Auszeichnung allerdings - ganz unabhängig vom (sehr zufriedenstellenden) Ergebnis - mehr als verdient, auch jetzt, nachdem die Fanbrille abgelegt ist und man objektiv über das grübeln kann, was man die letzten 6 Dienstage und 2 Freitage erlebt hat.

Werfen wir dazu den Blick noch einmal ganz weit zurück, auf die Zeit lange vor Beginn der Show, als nach dem Scheitern von Alex Sings Oscar Swings die bange Frage beim NDR im Raum stand, wie zum Teufel man endlich wieder einen erfolgreichen Act zusammenschustern könnte. Die Briten und die Franzosen hatten 2009 ordentlich angeboten, haben quasi ihren Stolz wiedergefunden und mit Patricia Kaas und Andrew Lloyd Webber zwei Namen aus der musikalischen Champions League verpflichtet. Dass da keine halbgaren Sachen rauskommen, sondern echte Premiumware, haben die Beiträge und deren Erfolg letztes Jahr bewiesen.
Das muss doch irgendwie auch hierzulande möglich sein, dachte sich wohl der NDR. Aber welcher Musiker oder Musikproduzent hätte genug Größe und Stellenwert, um eine solche Rolle für den Song Contest zu übernehmen? Ralph Siegel? Um Gottes Willen! Dann ist die Zielgruppe endgültig vergrault. Dieter Bohlen? Nee, dem wird schon von RTL die Rosette genug versilbert. Und bei allen anderen in Frage kommenden Interpreten steht wieder das Fallhöhenproblem im Weg bzw. verkaufen sich die Platten auch ohne ESC-Auftritt gut genug. 
So blieb für den NDR logisch gedacht eigentlich nur eine Alternative: Stefan Raab. Er hat die musikalische Versiertheit, er kennt durch seine praktischen Erfahrungen das ganz besondere Geschmäckle des Contests und er kann den richtigen Ehrgeiz für ein solches Projekt entwickeln. So weit, so gut. Es gab da nur ein Problem: Raab arbeitet ja nicht für die ARD.
Das hat offensichtlich bei den Verhandlungen um das Konzept für unnötige Grabenkämpfe und temporäre Absagen gesorgt. Nachdem aber scheinbar der NDR irgendwann die Unfähigkeit seiner eigenen Unterhaltungsabteilung eingestanden hat und erkannt hat, dass Raabs Konzept ohne seine Attraktion ein völliger Reinfall wird, nahm man zähneknirschend die Dominanz des Privatsenders hin und einigte sich auf die nun plötzlich "historisch einzigartige" Kooperation.

So war der Grundstein für den wohl bislang besten deutschen Vorentscheid aller Zeiten gelegt. Aber was genau ist jetzt das Besondere an "Unser Star für Oslo"? "Das Rad der Castingshow wurde schließlich durch dieses Format nicht neu erfunden." Das ist richtig, aber es hat nichtsdestotrotz auf zwei Ebenen etwas geschaffen, für das ich ihm großen Respekt zolle, zum einen hinsichtlich des Contests, zum anderen hinsichtlich der Sichtweise auf Castingshows.
USFO hat zum ersten Mal seit Jahren (im Grunde seit Max Mutzke) tatsächlich wieder eine richtige Aufmerksamkeit für den Contest geschaffen, und das völlig ungezwungen, was leider Gottes keine Selbstverständlichkeit in diesem Land ist. Es ist aber auch die Art von Aufmerksamkeit, die du nicht mit nur einem Abend erzeugen kannst. Wenn sie wie die letzten Jahre nach dem Abend des Vorentscheids bis zum Song Contest in der Versenkung verschwinden und nur zufällig mal im Radio laufen, braucht man sich über mangelnde Begeisterung hierzulande nicht zu wundern. Der enorme Hype um Max Mutzke damals war auch allein seiner langen vorherigen Präsenz bei SSDSGPS zu verdanken. Raab wäre also nicht Raab, wenn er das nicht beachtet hätte. 
Die Rückendeckung der eigenen Nation, die Identifikation mit dem Starter, kann für den Künstler wichtiger sein als man denkt. Und keine Form kann das in der heutigen Zeit besser erzeugen als ein Castingshowformat.

Das Wie steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt, womit ich beim zweiten Punkt wäre. Das, was besonders in letzter Zeit mit dem Begriff Castingshow bezeichnet wird, hat mit Seriösität schon lange nichts mehr zu tun. Vertreter wie DSDS stehen sogar inzwischen ganz offen dazu. Da geht es nicht mehr um die Suche nach musiklischer Qualität oder echter Talente. Hauptsache ist, dass der Intrigantenstadl am Laufen bleibt und dass die Kandidaten/Durchlauferhitzer möglichst viele Minderheiten und ausschlachtbare Schicksalsschläge in sich vereinen können.
Aber bei aller Ehre: das alles interessiert einen durchschnittlichen ESC-Zuschauer aus dem Ausland null, nada, niente! Der sieht die 3 Minuten, in denen performt wird, und wenn die scheiße performt wurden, hast du Pech gehabt. Da gibt es keine Mitleidspunkte wegen deiner schlimmen Kindheit. 
Diese Meinung teilt Gott sei Dank auch Stefan Raab, wie sich deutlich im Aufbau der Sendung gezeigt hat. Kein unnötiger inszenatorischer Schnickschnack, sondern wirklich ein straighter Fokus auf die Musik und den Gesang der Kandidaten; im Grunde die optimale Form einer musikorientierten Castingshow. Anders hätte er auch bestimmt nicht so viele hochkarätige Musik- und Showstars auf seine Jurysessel bekommen. Zum Plattitüdenkotzen kommt keiner wie Westernhagen oder Xavier Naidoo vorbei. Und auch Stefan Raab selbst steht nicht für solche Sprüche (egal wie bissig er in seiner Sendung sein kann) und die Öffentlich-Rechtlichen erst recht nicht bzw. sollten sie nicht stehen. In dieser Hinsicht hat er also genau das Richtige im Vorfeld versprochen und es dann tatsächlich in der Show gehalten.
Dass das alles von beharrlichen Kritikern immer noch als langweilig bezeichnet wird, kann ich in keiner Weise nachvollziehen. Gerade diese Unaufgeregtheit war der große Segen dieser Sendung. Über Details und das Pensum kann man mit Sicherheit reden, aber zusammengefasst hat dieses Format allemal Potential, sich als Modus für den Vorentscheid zu etablieren.
Und mal ehrlich: jetzt am Ende hat definitiv nicht die technisch sauberste Kandidatin gewonnen, sondern die, die neben dem Gesangtalent die faszinierendste Persönlichkeit besitzt. USFO wurde also letzten Endes nicht das seelenlose Wettsingen, das man vielleicht nach den ersten zwei Ausgaben befürchten musste, sondern wurde ein demokratischer Wettbewerb wie jeder andere auch. 
Daher mein letztes Statement zu allen Meckerern: Geht doch für Menowin wählen, ihr Opfer! *höhö*

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